Der Blick in die Geschichte des „Kinderheims St. Josef“ weist auf die Gründung des Johannis-Zweigvereins Eltmann im Jahre 1854 zurück. Im Jahre 1889 wurde dann um den Preis von 12000 Mark ein Gebäude erworben, das viele Jahre für die Betreuung der Kinder durch die Schwestern des Erlösers diente, die 1998 in das Mutterhaus nach Würzburg gerufen wurden.
Martin Gehring war schon 1995 zum damaligen Kinderheim als Leiter und Geschäftsführer nach Eltmann gekommen. Seine berufliche Laufbahn hatte er nach dem Studium als Diplom-Sozialpädagoge mit Förderunterricht, Leitungen von Gruppen in Oberlauringen und bei der Caritas in Grafenrheinfeld ergänzt, so dass er die besten Voraussetzungen für die Leitung der Einrichtung in Eltmann mitbrachte. Wir fragten ihn, wie sich die Einrichtung in diesen 29 Jahren verändert hat.
Martin Gehring:
In der stationären Einrichtung leben heute 65 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 Jahren bis zur Volljährigkeit, die vorwiegend aus dem gesamten fränkischen Raum kommen. Zusätzlich gibt es aber auch noch 65 teilstationäre Plätze in Hort und Kindergarten sowie mehrere Wohnungen, in denen „unbegleitete Jugendliche “ aus anderen Ländern ambulant betreut werden.
Ihre Betreuung erfordert viele Fachkräfte wie Sozialpädagogen, Psychologen, Erzieherinnen und Erzieher, Heilpädagogen, Kinderpflegerinnen und Kräfte im hauswirtschaftlichen Bereich, so dass insgesamt 80 Mitarbeiter tätig sind.
Frage: Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrer Amtszeit zu dieser Entwicklung gesetzt?
Martin Gehring:
Wir haben in mehreren Bauabschnitten und mit rund 6 Millionen Euro an Kosten die räumlichen Voraussetzungen geschaffen, um auch notwendige und moderne pädagogische Konzepte umzusetzen. Aus vier Wohngruppen haben wir optimale Wohnverhältnisse und Arbeitsbedingungen für Erzieher geschaffen.
Dazu gehört aber auch ein demokratisches Kommunikationssystem, diverse pädagogische Konzepte und individuelle Erziehungsplanung, der Aufbau eines Partizipations- und Schutzkonzeptes für die Kinder und Jugendlichen, die Entwicklung eines QM- Systems und vieles mehr.
Frage: Wie sahen Sie im Rückblick Ihre verantwortungsvolle Aufgabe als Leiter einer solchen Erziehungseinrichtung?
Martin Gehring:
Eine Leitungsfunktion beinhaltet generell, dass eine Reihe von Erwartungen an diese Rolle gestellt ist – intern und extern, die in der Quantität und Vielzahl kaum zu erfüllen sind. In der Folge bilden Menschen in Leitungsfunktion dann auch oft eine Projektionsfläche für Enttäuschungen. Deshalb ist es notwendig, für sich selber Prioritäten zu setzen und nicht unbedingt für jedermann gefällig zu sein. Ich habe versucht, meinen Schwerpunkt bei unseren Mitarbeitern und Kindern zu setzen, vor allem im Schaffen guter räumlicher, konzeptioneller, personeller und pädagogischer Rahmenbedingungen und in der direkten Beratung. Es ist etwas Schönes, Kindern Hilfen geben und an ihrer Entwicklung mitwirken zu können. Die intensive Arbeit mit Mitarbeitern und Klienten macht Spaß und bietet Erfüllung, weil man etwas Sinnvolles macht.
Frage: Wie kann man eine solche körperliche und psychische Belastung aushalten?
Martin Gehring:
In unserer Jugendhilfeeinrichtung verteilt sich die Verantwortung auf viele Mitarbeiter. Ich durfte hier viele Momente erleben, in denen sich der Erfolg dadurch eingestellt hat, dass wir zum Beispiel im Rahmen von Teambesprechungen gemeinsame Lösungen gefunden haben. Das gemeinschaftliche Arbeiten an Prozessen und an Zielen ist mir sehr wichtig. Durch Gespräche mit vielen Menschen, Kollegen und Kindern und Jugendlichen habe ich viel Vertrauen erlebt. Die gemeinschaftlichen Treffen im Rahmen von Veranstaltungen und Feiern waren und sind mir ein großes Anliegen. Hier hatten wir viele schöne Momente und Erlebnisse.
Frage: Können Sie uns an solchen schönen Momenten in Ihrem Berufsleben und aus Ihrer Einrichtung ein wenig teilhaben lassen?
Martin Gehring:
Es ist ein gutes Gefühl, wenn man zusammen an einem Problem arbeiten darf und z.B. einen pädagogischen Ansatz entwickelt, der vom Kind angenommen wird und dadurch erfolgreich ist. Es ist auch schön zu erleben, wenn junge Mitarbeiter sich ihren Aufgabenbereich Schritt für Schritt erschließen und schließlich zu richtig guten (pädagogischen) Fachkräften heranreifen. Ich erinnere mich an viele schöne Momente mit Kindern und Jugendlichen, die offen und authentisch waren. Es waren auch nicht nur angenehme Momente darunter – aber meistens ehrlich und unverstellt.
Man bekommt auch sehr viel zurück, wenn Jugendliche hierher zurückkommen und positiv an ihre Zeit in Eltmann zurückdenken. Dazu gehören auch unsere „unbegleiteten Jugendlichen“ aus anderen Ländern, die uns sagen, dass sie viel gelernt haben und dankbar sind für die Zeit, die sie hier verbracht haben. Einige Jugendliche, welche einen guten Weg gemacht und sich entsprechend qualifiziert haben, haben sich bei uns für eine Stelle beworben und sind nun bereits im pädagogischen oder hauswirtschaftlichen Bereich unserer Einrichtung tätig.
Die Fragen stellte Günther Geiling